In einem Zeitungsausschnitt vom 25.07.1959 ist folgendes zu lesen:
Dramatischer Segelflug
Achtzehnjähriger segelte von Hirzenhain nach WeißkirchenEinen schier dramatischen Segelflug absolvierte am Mittwochnachmittag der achtzehnjährige Gerd Bieber aus dem bekannten Segelfliegerdorf Hirzenhain im Dillkreis mit einem Segelflugzeug, Typ Grunau-Baby, das eine Spannweite von zwölf Metern hat. Mit diesem Streckenflug über mindestens 50 Kilometer sollte Gerd Bieber die letzte Bedingung zur Erlangung des „Silber-C“ – einem Leistungsabzeichen – erfüllen. Die gestellte Bedingung wurde hervorragend erfüllt: In viereinhalbstündigem Flug durch Luftstörungen und gefahrdrohende Düsenjäger legte der Jungsegelflieger Bieber sogar eine Strecke von schätzungsweise 80 Kilometer zurück, die sich, wenn man die „Umwege“ in Betracht sieht, noch um viele Kilometer erhöht. Teilweise hat er die erstaunliche Höhe von 2000 Meter erreicht.
Es war in den Nachmittagsstunden, als das Segelflugzeug wie ein riesiger Vogel über Weißkirchen kreiste und die Aufmerksamkeit der Einwohner auf sich zog, besonders als man sah, dass es die Höhe verminderte und anscheinend einen guten Platz zum Landen suchte. Die Vermutung bestätigte sich: das Segelflugzeug landete sicher und gut auf einem Wiesenstück an der südlichen Seite der Homburger Straße. Bald umstanden den silberglänzenden „Segler“ viele Einwohner, darunter auch Bürgermeister Dietz, der dem glücklich gelandeten Segelflieger gern Landezeit und Ort schriftlich bestätigte. Von Oberursel war das Mitglied Schäfer vom Martens-Segelflieger-Club gekommen, um beim Abmontieren und Verladen des Seglers behilflich zu sein. Schäfer hatte den Segler von seiner Wohnung im Zimmersmühlenweg beobachtet und gesehen, wie er in Weißkirchen landete.
Wir unterhielten uns mit dem Jungsegelflieger Gerd Bieber, der uns – freudestrahlend über seinen wohlgelungenen Flug, den er noch hätte ausdehnen können – auch etwas über die Schattenseiten dieses Langstreckenfluges erzählte. Beim Start habe er erst nach mehrmaligem Katapultieren die Höhe erreicht, die erforderlich sei, um „segeln“ zu können. Wir hörten vom Thermiksegeln (das ist Wolken- und Wärmesegeln) und wie nach oben gerichtete Luftströmungen durch die verschieden starke Erwärmung der Erdoberfläche unter dem Einfluss der Sonnenbestrahlung entstehen und das Segeln beeinflussen. Das Wolkensegeln sei verboten, hörten wir, aber zwangsläufig sei er durch eine plötzlich einsetzende Luftströmung in eine Wolkendecke geraten und habe die Orientierung verloren. So sei er einmal der Meinung gewesen, sich in der Ostzone zu befinden, obwohl er sich dem Gebiet um Frankfurt näherte und sogar den Flughafen übersegelte. Am Flusslauf – dem Main – habe er die Domstadt Frankfurt erkannt und sich entschlossen, in der Nähe zu landen, was ihm in Weißkirchen gelungen sei.
Gerd Bieber schilderte uns auch seine Angst, die er ausgestanden habe, als er in eine Gruppe von Düsenjägern geraten sei, die anscheinend manövriert und mit Platzpatronen geschossen hätten. Einmal hätte es den Anschein gehabt, als ob sie seinen Segler hinunterdrücken wollten, was ihn sehr erschreckt und irritiert habe. In solchen Momenten habe er um einen glücklichen Verlauf seines Segelflugs gebeten. Erfreut und wieder ermutigt sei er gewesen, als ein Passagierflugzeug dicht an ihm vorübergeflogen sei und die Passagiere ihm zugewinkt hätten. Der Ermutigung folgte wieder eine heikle Situation: in einer Höhe von 2000 Metern hätten ihn eisige Winde umweht und er habe sehr gefroren.
Ja, das waren die Eindrücke, die der nun jüngste Hirzenhainer Silber-C-Inhaber auf schaukelnden Luftwellen und in Thermikwolken in seinem Grunau-Baby hatte – seinem nun zerlegten „Baby“, das sein aus Hirzenhain telefonisch herbeigerufener Vater – ebenfalls ein Segelflieger – an seinem Auto ins Schlepptau genommen und auf dem Landwege wieder nach Hirzenhain gebracht hat. In der Mitternachtsstunde sind sie angekommen – freudig begrüßt von ihren Segelfliegerkameraden und –freunden.