Auszug aus der Hirzenhainer Schulchronik mit einem Zeitungsbericht des „Herborner Tageblattes“ vom 17.9.1931
In der Hirzenhainer Schulchronik vom 10.9.1931 ist vom damaligen Lehrer Lückhoff der folgende Text handschriftlich vermerkt:
Robert Kronfeld fliegt in Hirzenhain am 6. September
Den Bemühungen unseres Fluglehrers Schäfer ist es gelungen, den in aller Welt bekannten Segelflieger Robert Kronfeld aus Wien für einen Flugtag zu verpflichten, welcher am Sonntag stattfand. Robert Kronfeld ist bekannt geworden durch seine großen Streckenflüge von der Rhön aus und als der 1. Überflieger des Ärmelkanals. Große Vorbereitungen waren für den Tag getroffen. Wochenlange Werbetätigkeit in Presse und durch Anschlag ging voraus. Verkehrseinrichtungen waren getroffen, und die Feuerwehren von Hirzenhain und Eiershausen hatten die Kartenausgabe usw. übernommen!
Auch unsere einheimischen Flieger hatten zu großen Taten gerüstet. Drei neue Flugzeuge, davon zwei in der Werkstatt der hiesigen Flughalle gebaut, sollten ihre Taufe empfangen! Am Eiershäuser Berg waren große Zelte aufgeschlagen, um den auswärtigen Gästen Erfrischungen darbieten zu können. An ein Misslingen der Taufe durch die Ungunst der Witterung glaubte niemand. Und wie kam’s? Schon tags zuvor und in der vergangenen Woche war unbeständiges Wetter. Schon glaubte man am Vormittag, das Wetter würde sich aufklären, aber da setzte gegen Mittag derartiger Regen und zuweilen Nebel ein, daß man ein Gelingen, ja überhaupt ein Kommen der Flieger für unmöglich hielt. Und immer wieder fuhren neue Lastautos und Kraftstoffwagen vor und brachten Gäste mit, wie sie wohl Hirzenhain noch nie an Zahl gesehen hat! Dabei herrschte eine Kälte und ein Wind, daß die Leute nur so klapperten. Unmutig irren die Leute umher, laufen am Berg herum, stehen in Gruppen im Walde und schimpfen auf diesen Blödsinn, der sie hier herauf gelockt hat oder sitzen in den Lokalen und im Zelt und tun desgleichen.
Da kommt Kronfeld mit seinem Auto an und schleppt sein Flugzeug “ Wien “ auf einem Transportwagen verpackt, nach. Unsere Flieger ziehen ebenfalls ihre Maschinen zum Hang und trotz Wirbel, Sturm und Regenschauer starten Freusberg und Bieber, um bald in den Wolken zu verschwinden. Das Wetter ließ zuweilen etwas nach, dann blinkt einmal der blaue Himmel durch, aber der starke Wind läßt neue Sturmwolken herankommen. Endlich startet auch Kronfeld, zieht majestätische Kurven über unseren Höhen, entschädigt damit alle die Unbilden der Witterung, und geht nachher auf Strecke. Bei dem Dorfe Aßlar im Kreise Wetzlar ( 42 km von hier ) war er gelandet. Wenn auch der erhoffte finanzielle Erfolg nicht eingetroffen ist, so ist jedoch das Gelingen des Tages als ein außerordentlicher Erfolg für das Gelände in Hirzenhain und für seine Tätigkeit auf dem Gebiet des Segelfluges zu bewerten.
Hirzenhain, den 10.September 1931
Lückhoff
Original-Ansicht der zwei Schulchronik-Seiten als pdf, (Datei-Größe: 606 kB)
Das Herborner Tageblatt schrieb dazu am 7.9.1931:
Regen und Segelflug auf der Hirzenhainer Höhe
Der für den gestrigen Sonntag vorgesehene große Segelflugtag konnte leider wegen ungünstiger Witterung nicht programmmäßig zur Durchführung gelangen. Immerhin wurde vorzüglicher Segelsport geleistet, so daß die etwa 1000 Zuschauer, die sich trotz trübem Horizont auf der Hirzenhainer Höhe eingefunden hatten, vollauf auf ihre Rechnung kommen konnten. Zu einem Großflugtag waren alle Vorbereitungen getroffen. Eine Anzahl Segelflugzeuge lagen startbereit am Eiershäuser Hang. Leider konnten nicht alle Segelflugzeuge starten, die Witterung war zu ungünstig.
Als ein lichter Augenblick zu kommen schien, wurde zunächst die Taufe von zwei Segelflugzeugen vorgenommen. Den Taufakt vollzog Hauptlehrer Lückhoff aus Hirzenhain. In seiner Ansprache führte er unter anderem aus:
zum Flugzeug „Hirzenhain“
Trage den Namen der Heimat, von der man behauptet, es sei das Fliegerdorf Deutschlands, über recht viele Berge und Täler der engeren Heimat dahin, künde der Jugend von zähem, mutigem Ringen und kühnem Wagen um ein sicheres Können, und lehre sie in rechter Weise verstehen das Wort: „Aus der Heimat alle Kräfte, für die Heimat alle Kraft“zum Flugzeug „Biene“
Fleiß, unermüdlicher Fleiß schufen Dich, aus formloser Masse ein Kunstwerk des Geistes! Fleiß, unermüdlicher Fleiß verleihe Dir Antrieb und Kraft, der Biene gleich in emsigem Fluge die Höhen der Heimat zu durchmessen, aus ungeahnten Höhen schauend der Heimat liebliches Bild. Kehre zurück zu den Bergen, die zu ihren Füßen blumige Wiesen tragen. Auf deren Höhen blühende, rote Heide dich grüßt, kehrst du zum Stocke zurück. Kameraden, schließt die Reihen und stimmt mit mir ein in den Ruf: Den neuen Flugzeugen „Hirzenhain“ und „Biene“ ein dreifaches „Glück ab“.(kompletter Tauf-Text in der Orginal-Ansicht des Zeitungsberichts, siehe unten)
Den Taufakt selbst vollzogen für das Flugzeug „Hirzenhain“ der Bürgermeister von Hirzenhain, für das Flugzeug „Biene“ Fräulein Mayenbauer aus Bonn.
Alsdann startete Flugzeug „Biene“, von Freusberg geführt, um etwa 1 Stunde in der Höhe zu bleiben. Sicher und majestätisch umkreiste „Biene“ das Fluggelände, oft im düsteren Wolkenmeer verschwindend. Die Landung ging glatt vonstatten in der Nähe von Eibelshausen. Ein Zögling, Wilhelm Bieber aus Hirzenhain, startete dann mit seinem Flugzeug „Jung Stilling“ , musste aber nach kurzem Flug nächst Eiershausen niedergehen.
Robert Kronfeld, der wegen des ungünstigen Wetters nicht, wie vorgesehen, mit seinem Segelflugzeug „Wien“ im Schleppzug vom Flugplatz Gießen kommen konnte, hatte seine „Wien“ im Transportauto auf die Hirzenhainer Höhe bringen lassen. Kronfeld startete mit seinem Segelflugzeug „Wien“, mit dem er seinerzeit den Ärmelkanal überflogen hatte, und führte sein Flugzeug sicher durch die Höhen, trotz Regen und Böen. Während Kronfeld noch in den Lüften weilte, zeigte auch ein Motorflieger mit einer Siemems-Klemm-Maschine waghalsige Kunstflüge; es war der Flieger Bielmayer, Kronfelds Monteur. Kronfeld hatte die Absicht, mit seiner „Wien“ nach Gießen zu fliegen, musste aber bei Werdorf landen, weil mittlerweile fast völlige Windstille eintrat, was sich schon bemerkbar machte, als Kronfeld noch über Hirzenhainer Gelände war.
Die weiteren Veranstaltungen wie Modellwettbewerb der Segelflugmodelle, Start einer Anzahl Segelflugzeugtypen und Passagiersegelflüge mussten leider wegen der ungünstige Witterung unterbleiben. Trotzdem kann man wohl sagen , daß das Programm in seinen wichtigsten und interessantesten Teilen zur Durchführung gekommen ist.
Der Besuch war in Anbetracht der unsicheren und regnerischen Witterung überraschend gut, ein Beweis, dass man dem Segelflugsport auch in weiteren Kreisen der Bevölkerung immer größeres Interesse entgegenbringt. Auf dem Fluggelände selbst, am Startplatz Eiershäuserhang, war ein Zelt aufgeschlagen, das willkommenen Schutz bot bei Auftreten von Witterungsunbilden. Auch die Waldungen wurden als Schutzstelle reichlich benutzt. Für Restaurationsbetrieb war bestens Sorge getragen. Mittels Lautsprecher wurde Musik übertragen, meist flotte Marschmusik, die das „Wasserwetter“ etwas verschmerzen ließ. Der umfangreiche Absperr-und Sanitätsdienst war mustergültig. Von irgendwelchen Unfällen blieb die Veranstaltung glücklicherweise verschont.
Auf den Verlauf des Flugtages kann der Verein für Luftfahrt Hirzenhain mit Stolz zurückblicken und dankbar soll anerkannt werden, dass der Verein trotz ungünstiger Wetterlage das gehalten hat, was versprochen worden ist. „Glück ab“ für die nächste Veranstaltung.