Zeitungsbericht der „Dill-Zeitung“ vom 20.10.1930 und Seite aus der Schulchronik
In der „Dill-Zeitung“ vom 20. Oktober 1930 wird mit folgendem Wortlaut berichtet:
Hirzenhain in der Luft voraus
Weihe des neuen Fliegerlagers – „Haus Hindenburg“ und Halle „Neuschäfer“ Hirzenhain das Hochleistungsgelände Westdeutschlands
Der heimische Segelflugsport hat einen bedeutsamen Schritt voraus getan. Mit der Weihe des neuen Fliegerheims auf der Hirzenhainer Höhe, die gestern nachmittag in feíerlicher Weise vor sich ging, ist die unerlässliche Grundlage für einen weiteren Aufstieg der jungen Bewegung geschaffen. Welcher Beachtung und Wertschätzung sich diese nicht nur im Westen des Reiches, sondern im ganzen Vaterland erfreut, davon legten die zahlreichen Kundgebungen, die während des Weiheaktes, zum Teil durch den Mund prominenter Vertreter der deutschen Luftfahrt erfolgten, beredtes Zeugnis ab. Was in knapp vier Jahren geschaffen wurde, und was insbesondere die Lehrer von Hirzenhain und Lixfeld, „die fliegenden Schulmeister“, wie sie gestern mit einer Mischung von Scherz und Hochachtung genannt wurden, vollbracht haben, wurde als einzig dastehend anerkannt, und nicht nur den Jungfliegern, sondern auch dem ganzen deutschen Volk als rühmliches und nachahmenswertes Beispiel vor Augen geführt. Daß auch die Heimat und sie in erster Linie, alle Veranlassung hat, sich über das Erreichte von Herzen zu freuen, und mit frommen Zukunftswünschen die gedeihliche Fortentwicklung des idealen Werkes zu begleiten, soll in diesem Zusammenhang besonders betont werden.
Die neugeschaffene Anlage
besteht aus einem Flugzeugschuppen, der Raum zur Aufnahme von 8 bis 10 Maschinen bietet und dem geräumigen Fliegerheim, das in erster Linie der in Hirzenhain schulenden Jungfliegern Unterkunft gewähren soll. Es handelt sich um eine Besatzungsbaracke aus Mainz, die nach dem Abzug der Franzosen von dem Verein für Luftfahrt, Hirzenhain käuflich erworben und von Jungfliegern abmontiert wurde. In Hirzenhain gelangte sie nach Plänen von Bauingenieur Freimüller, Dillenburg, zur Aufstellung. Das Innere des Hauses, das eine Länge von 43 Metern bei einer Breite von 8 Metern aufweist, macht zunächst noch einen nüchternen Eindruck. Wenn erst einmal die Jungflieger hier oben sind, wird es bald wohnlicher aussehen.
Der Raum, dessen Wände nach gründlicher Reinigung und Desinfektion eine Kalktünchung erhielten, wurde in einer Weise aufgeteilt, daß ein Tagesraum, eine Küche, zwei Schlafräume, eine Werkstatt, ein Geschäftszimmer, sowie zwei kleinere Räume, die nach Bedarf Verwendung finden, zur Verfügung stehen. Voraussichtlich dürfte sich die Fachschule für Industrie in Düsseldorf, die in Hirzenhain ihre Jungflieger schulen will, an dem Bau des Hauses beteiligen. In diesem Falle würde ein Schlafraum an sie abgegeben werden, der freilich dem V.f.L. Hirzenhain zu anderweitiger Benutzung zur Verfügung steht, falls er von Düsseldorf nicht in Anspruch genommen wird.An Einrichtungsgegenständen verfügt das Haus bisher über eine größere Anzahl an Tischen und Bänken, sowie verschiedene Öfen, eine Stiftung von Hüttendirektor Neuschäfer aus Steinbrücken. Die Lichtanlage ist eine Stiftung der Überlandzentrale Oberscheld, auf Veranlassung ihres Direktors Hekking. Im Tagesraum hat ein Bild des Patrons des Hauses, des Reichspräsidenten von Hindenburg, Aufstellung gefunden, ein Geschenk des befreundeten Männergesangvereins „Gesangesfreunde“ Hirzenhain. Als ein sinnvoller Wandschmuck kann auch die von Kunstmaler Otto Künkel, Steinbrücken, entworfene Ehrentafel mit den Initialen des V.f.L. Hirzenhain gelten. Im Geschäftzimmer liegt ein Gästebuch, eine Gabe von Frau Direktor Neuschäfer, aus. Als Inschrift trägt es auf der ersten Seite nachfolgenden Ausspruch des Turnvaters Jahn, der den ganzen Geist atmet, von dem das Werk der Hirzenhainer Segelflieger bestimmt ist:
„So haben wir denn einstimmig in der Gesinnung und einmütig in der Tat ein Werk begonnen und vollendet, das als Hort und Leuchte über den Wogen dieser Zeit hinausragt. Und so mag es denn in dieser kreisenden Zeit als Hort und Leuchte bestehen.“
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Hier einige historische Fotos:
In der Hirzenhainer Schulchronik vom Oktober 1930 ist dazu vom damaligen Lehrer Lückhoff der folgende Text handschriftlich vermerkt:
Die Einweihung der Fliegerhallen!
Die Entwicklung der heimischen Segelfliegerei hat in rascher Folge Ausmaße angenommen, dass nicht nur Unterkunftsräume für Flugzeuge, sondern auch solche für Mannschaften unbedingt notwendig wurden. Durch Freunde und Gönner war es möglich, eine Flugzeughalle aufzustellen, die jederzeit in der Lage ist, 6 – 8 Flugzeuge aufzunehmen.
Da die Entwicklung und der größte Teil des Flugbetriebes sich hier in der Nähe des Dorfes am Eiershäuser Berg abspielt, so ist diese Halle am Anwender aufgeschlagen worden, in der Absicht, auch die Mannschaftshalle hier anzuschließen! Das ist nun auch geschehen! In Mainz wurden in diesem Sommer von der Reichsvermögensverwaltung ehemalige Militärbaracken zu billigem Geld abgegeben! Eine solche Halle ist von dem Verein für Segelflug gekauft, dort abgebrochen und hier wieder aufgebaut worden! Eine gewaltige Leistung! Am Sonntag, den 19.10.1930 wurden beide Hallen feierlich getauft, (“ Halle Neuschäfer “ und „Haus Hindenburg“) und ihrer Zweckbestimmung übergeben. Vertreter des Reichsverkehrsministeriums, des D. L. V. der Regierung in Wiesbaden und der Kreisverwaltung, dazu eine stattliche Zuschauermenge waren erschienen, um dem feierlichen Akt beizuwohnen. Die dann anschließende „Fidelitas „dauerte bis in die späten Abendstunden und endete leider – mit einer Prügelei!
Hirzenhain, im Oktober 1930
Lückhoff
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